Coregonus
Aus den Archiven zum angewandten Artenschutz: Biodiversitätsmonitoring der Coregonen in Österreich
Aus den Archiven zum angewandten Artenschutz: Biodiversitätsmonitoring der Coregonen in Österreich
Coregonen, in Österreich meist als Reinanken, Riedling oder Kröpfling bezeichnet, haben einen hohen wirtschaftlichen Wert und werden intensiv befischt. Intensive Befischung, Umweltveränderungen und die wiederholte langfristige Einführung von nicht heimischen Coregonen haben jedoch die genetische und phänotypische Integrität mehrerer heimischer Arten stark beeinträchtigt. Gleichzeitig stellen die Coregonen eine der taxonomisch komplexesten Gruppen unter den Süßwasserfischen in Europa dar. Die Meinungen über ihre Phylogenie, ihren taxonomischen Status und ihre infra- und intraspezifische Struktur sind diametral entgegengesetzt. Es stellt sich die Frage, wie viele einheimische Arten (unter welchen wissenschaftlichen Namen) und ökologischen Varietäten noch in Österreich existierten und durch welche Merkmale sie genau definiert werden können. Einige sind laut Rote Liste Fische Österreichs sogar als ausgestorben eingestuft, andere sind stark bedroht und stehen kurz vor dem Aussterben… Eine Revision des Wissens über die historische vs. moderne Vielfalt von Coregonus in Österreich (im Kontext aller voralpinen Seen) ist deswegen dringend erforderlich!
Besuch der bekannten Ichthyologen und Künstler Paul Vecsei
Im März hatte die Fischsammlung Besuch: Der bekannte Ichthyologe und Künstler Paul Vecsei besuchte unsere Salmoniden-Sammlung. Seine Expertise ist die Wiederbelebung ausgestorbener Arten mit Hilfe seiner künstlerischen Fähigkeiten.
Während seines Besuchs fotografierte er verschiedene ausgestorbene Salmonidenarten, die er anschließend mit erstaunlicher Präzision wissenschaftlich illustrierte – jede einzelne Schuppe ist auf den Bildern zu sehen. In seinen eigenen Worten: „Die Renderings sind präzise und können als Ersatz für das Originalexemplar für morphometrische Analysen und Landmark-Datenanalysen zur Quantifizierung der Formvariation zwischen oder innerhalb von Arten/Morphotypen etc. dienen. [d.h. für wissenschaftliche Analysen verwendet werden können!]. Aber noch wichtiger ist, dass die Illustrationen ausgestorbene Arten visuell wieder zum Leben erweckt haben – Arten, die nun nur noch in Flaschen existieren und in dunklen Räumen für die Ewigkeit aufbewahrt werden. Wie man sehen kann, sind diese Illustrationen ein wertvolles Werkzeug für die Öffentlichkeitsarbeit, da sie lebensechte Darstellungen existierender Exemplare sind.“
Vorerst hat Paul zwei Arten wiederbelebt,
Bodensee-Kilch Coregonus gutturosus (Gmelin, 1818) mit der Inventarnummer NMW 65166
und
Starnberger See Renke Coregonus renke (Schrank, 1783) mit der Inventarnummer NMW 64750.
Aber bleiben Sie dran. Es kommen noch mehr Arten!
Sie können Pauls Arbeit verfolgen auf Instagram und Flickr:
https://www.instagram.com/fish_as_art/
https://www.flickr.com/photos/fishasart/
Zusätzliche Erkenntnisse aus historischen Fischsammlungen: Einblick in die Taxonomie der Coregonen
Durch unsere Forschung zur Biodiversität der Coregonen in Österreich sind wir auf faszinierende historische Daten gestoßen, die wertvolle und essenzielle Erkenntnisse für die taxonomische Forschung liefern – und die wir unbedingt teilen möchten!
Das Team führte erfolgreich eine DNA-Analyse des „Zwillings“ des Holotyps von Coregonus reisingeri von 1824 aus dem Traunsee durch, der somit der beste Kandidat für den Neotypus dieser Art ist, falls es zu einer Wiederansiedlung kommt.
Dr. Nina Bogutskaya gab einen kurzen historischen Überblick:
Im Jahr 1824 reiste Heckel für mehrere Monate nach Oberösterreich und Salzburg und sammelte verschiedene Fischarten, die noch in der Fischsammlung des NHMW erhalten sind (z. B. Erwerbungen 1824.II und 1825.V). Das Erwerbungsblatt 1824.II (Eintrag 1824.II.6, siehe das Link) enthält vier Exemplare, die damals als Salmo maraena identifiziert wurden. Ein Exemplar wurde an das Pariser Museum geschickt, und eines, ein ausgestopftes Individuum, befindet sich noch in der Fischsammlung (NMW 59498, siehe das Foto), wobei der Fundort als „Traunsee“ angegeben ist.
Das an das Pariser Museum gesandte Exemplar wurde von Valenciennes (in Cuvier & Valenciennes 1848: 496) als neue Art Coregonus reisingeri beschrieben, wobei er angab, dass das Exemplar aus Wien stamme, obwohl die Typlokalität mit „Donau in Österreich“ angegeben wurde (Link). Die Herkunft der Exemplare aus dem Erwerbungsbericht 1824.II.6 wurde von Heckel (1851: 376) eindeutig als vom Traunsee während seiner Reise nach Oberösterreich im Jahr 1824 gesammelt beschrieben („Herr Valenciennes … nach den vom Wiener Museum erhaltenen ausgestopften Exemplaren, unter dem neuen Namen Coregonus Reisingeri beschreibt. Es stammen aber diese Exemplare aus dem Traunsee und gehören unbezweifelt unserem Rheinankel an.“) – Link.
Daher wurde der Holotyp von Coregonus reisingeri (ein ausgestopftes Individuum) am Traunsee gesammelt. Leider ging dieser Holotyp von C. reisingeri wahrscheinlich bald verloren. Später schlug Nüsslin (1882: 279; Link) den neuen Namen Coregonus steindachneri für die Traunsee-Reinanke vor, möglicherweise um eine bessere Bestimmung der Traunsee-Art zu ermöglichen, obwohl er Coregonus reisingeri Valenciennes erwähnt.
Zurück zum NMW-Exemplar, das zusammen mit dem Holotyp von Coregonus reisingeri aus dem Traunsee gesammelt wurde. Das Exemplar ist ebenfalls ein ausgestopftes Individuum (siehe das Foto) und stellt als „Zwilling“ des Holotyps die beste Wahl für das Neotyp-Exemplar der Art Coregonus reisingeri dar, falls die Art in Zukunft auf der Grundlage unserer Projektergebnisse neu bestimmt wird.
Artikel in „Der Standard“
Reinanken, auch Renken oder Maränen genannt, sind gefährdete Süßwasserfische, deren genaue Artenvielfalt in Österreich noch erforscht wird. Ursprünglich in kalten Alpenseen beheimatet, wurden sie durch Fischerei, Besatzmaßnahmen und Klimawandel stark beeinflusst. Ein Forschungsteam unter der Leitung des Naturhistorischen Museums Wien (NHMW) untersucht historische und aktuelle Fischproben, um herauszufinden, welche Arten überlebt haben und wie sich ihre genetische Vielfalt verändert hat. Erste Analysen zeigen Verluste, aber auch Hoffnung auf den Erhalt einiger ursprünglicher Arten, was für zukünftige Schutzmaßnahmen entscheidend sein könnte. Weitere Informationen finden Sie unter dem beigefügten Link.
Strnadl, S. (2025) ‚Reinanken, Felchen, Riedling: Der Fisch mit vielen Namen birgt noch mehr Rätsel‘, DerStandard, 6 April. Available at: https://www.derstandard.at/story/3000000262423/reinanken-felchen-riedling-der-fisch-mit-vielen-namen-birgt-noch-mehr-raetsel
Reinanken im Fokus: Einblicke aus der Veranstaltung
Am 12.03.2025 organisierte das NHMW die Veranstaltung Reinanken im Fokus: Biodiversität und Artenschutz in Österreich. Die Abendveranstaltung bot spannende Vorträge und eine Podiumsdiskussion, in denen unser Projekt und die Fischerei-Thematik aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet wurden. Ziel war es, ein breites Publikum anzusprechen und den Austausch über Biodiversität und Artenschutz zu fördern.
Hier finden Sie den Link zu den Präsentationen
Hier finden Sie den Link zur Podiumsdiskussion